Vor einiger Zeit haben wir Linda Klümpen, geb. Jakobs, schon einmal interviewt und uns spannende Einblicke in ihre Forschungsarbeit geben lassen. Die Ernährungswissenschaftlerin arbeitet am Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften der Universität Bonn, Abteilung Ernährung und Mikrobiota, unter der Leitung von Jun. Prof. Marie-Christine Simon.
In einer Interventionsstudie untersucht sie die Wirkung eines intensiven kurzzeitigen sowie eines moderaten mittelfristigen Verzehrs von Hafer auf den Stoffwechsel (u. a. Blutzuckerspiegel, Blutfettwerte), auf das Darm-Mikrobiom und auf die kognitiven Fähigkeiten von Personen mit metabolischem Syndrom.
Frau Klümpen, die Studie zur Wirkung von Hafer ist inzwischen abgeschlossen. Können Sie uns nochmals kurz das Ziel der Studie erläutern?
Ja, sehr gerne. Das Ziel unserer Ernährungsstudie ist es, die Effekte von zwei verschiedenen Haferinterventionen – einem intensiven, kurzfristigen sowie einem moderalten, mittelfristigen Haferkonsum – auf den Stoffwechsel und das Darmmikrobiom bei Personen mit metabolischem Syndrom zu untersuchen. Hierbei liegt unser Fokus auf der so genannten Darm-Hirn-Achse und den Interaktionen vom intestinalen Mikrobiom mit den bioaktiven Substanzen des Hafers (z.B. Beta-Glucan). Unsere Forschung soll dazu beitragen, die mechanistischen Zusammenhänge besser zu verstehen und somit neue Präventions- und Therapieansätze für Betroffene mit metabolischem Syndrom aufzuzeigen.
Was genau ist eigentlich das Metabolische Syndrom?
Der Begriff Metabolisches Syndrom beschreibt das gleichzeitige Auftreten von mehreren Risikofaktoren, zu denen Übergewicht mit einer sogenannten Stamm-Adipositas, sprich eine erhöhte Akkumulation von Fett am Bauchraum, ein erhöhter Blutdruck, ein erhöhter Nüchternblutglukosespiegel sowie ungünstig veränderte Blutfettwerte zählen. Bereits jeder einzelne dieser Risikofaktoren erhöht die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung chronischer Erkrankungen wie Diabetes mellitus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei gemeinsamem Auftreten der Faktoren addiert sich das Risko, weswegen geeignete Präventions- und Therapiemaßnahmen für Betroffene essentiell sind.
Sie hatten eben den Begriff Darm-Hirn-Achse erwähnt, was genau ist damit gemeint?
Der Darm kann über unterschiedliche „Kanäle“, etwa über das intestinale Mikrobiom, Hormone, Botenstoffe oder sensorische Neuronen direkt mit dem zentralen Nervensystem kommunizieren. Dieses wechselseitige Kommunikationssystem zwischen Darm und Gehirn wird als Darm-Hirn-Achse bezeichnet. 90 Prozent der Signale werden hierbei interessanterweise vom Darm an das Gehirn gesendet.
Können Sie uns nochmal kurz das genauen Studiendesign und den Unterschied zwischen den Haferinterventionen darlegen?
Bei unserer Ernährungsstudie handelt es sich um eine randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie im Parallel-Design. Das bedeutet, dass die Effekte der beiden Haferinterventionen jeweils im Vergleich zu einer entsprechenden Kontrollgruppe untersucht wurden und die Zuordnung in die Gruppen (Hafer oder Kontrolle) zufällig erfolgte.
Der Unterschied zwischen den beiden Haferinterventionen bestand in der Dauer der Intervention sowie in der täglich verzehrten Hafermenge. Bei dem intensiven, kurzfristigen Haferverzehr führten die Teilnehmenden eine kalorienreduzierte Haferkur durch. Dabei verzehrten sie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen drei Hafermahlzeiten pro Tag. Im Rahmen der moderaten mittelfristigen Intervention verzehrten die Teilnehmenden täglich eine übliche Haferportion über einen Zeitraum von sechs Wochen.
Haben Sie eine Rückmeldung der Teilnehmenden erhalten, wie ein so hoher Konsum an Haferflocken am Tag (3 x 100 g) zu bewerkstelligen ist und ankommt?
Wie erwartet, stellte die Durchführung der Haferkur für die Teilnehmenden eine große Umstellung zu ihrer üblichen Ernährungsweise dar. Nichtsdestotrotz konnten alle Teilnehmenden die Haferkur erfolgreich umsetzen. Insbesondere der engmaschige Austausch mit den Proband*innen mittels regelmäßiger Telefonate sowie die zeitliche Begrenzung auf zwei Hafertage waren wichtige Faktoren für die erfolgreiche Umsetzbarkeit. Positive Rückmeldung gab es zudem für unseren Vorschlag, die Haferflocken statt mit Leitungswasser mit ungesüßtem Tee aufzukochen, um auf diese Weise mehr geschmackliche Abwechslung zu haben. Im Rahmen des moderaten Haferverzehrs wurden vor allem das klassische Haferporridge mit Apfel, Honig und Walnüssen sowie Haferflocken-Quark-Brötchen sehr gut angenommen.
Wie sind die Ergebnisse der Studie/Studienarme?
Zum aktuellen Zeitpunkt stehen wir noch relativ am Anfang unserer Datenauswertung, sodass wir noch keine finalen Ergebnisse berichten können. Erste vorläufige Ergebnisse deuten aber daraufhin, dass sich ein kurzfristiger, intensiver Verzehr von Hafer positiv auf den Stoffwechsel, vor allem den Fettstoffwechsel, den Blutdruck und das Darmmikrobiom auszuwirken scheint (Klümpen et al. Clin. Nutr. ESPEN 2023; Jakobs et al. Clin. Nutr. ESPEN 2021). Die genauen Zusammenhänge zwischen Stoffwechsel und Mikrobiom sowie die Rolle der mikrobiell produzierten Metabolite wird derzeit von uns im Detail untersucht. Spätestens im Herbst dieses Jahres können wir hierzu hoffentlich konkrete Erkenntnisse berichten.
Was bedeuten diese Ergebnisse für Personen mit einem metabolischen Syndrom? Was leiten Sie daraus ab?
Die aktuelle Studienlage deutet daraufhin, dass der Verzehr von Hafer aufgrund seiner einzigartigen Zusammensetzung zu einer günstigen Beeinflussung diverser Stoffwechselparameter beitragen kann. So scheint sich Hafer nicht nur positiv auf den Cholesterinspiegel auszuwirken, sondern auch den Blutdruck und das Sättigungsgefühl günstig beeinflussen zu können. Für Personen mit metabolischem Syndrom stellt Hafer daher ein besonders interessantes Lebensmittel dar, weil Hafer mehrere Risikofaktoren des metabolischen Syndroms positiv zu beeinflussen scheint. Um die genauen Zusammenhänge noch besser verstehen zu können und konkrete Empfehlungen zum Einsatz einer Haferkur bei metabolischem Syndrom, wie die sogenannten Hafertage, die in der Ernährungstherapie bei Diabetes mellitus bereits gerne zum Einsatz kommen (Storz and Iraci Can. J. Diabetes 2020), aussprechen zu können, ist allerdings noch weitere Forschung notwendig.
Ist in Ihrer Arbeitsgruppe eine weitere Studie mit Hafer geplant?
Da Hafer auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ein sehr interessantes Lebensmittel ist, werden wir weiter damit planen. Allerdings wollen wir derzeit den Fokus auf die Datenauswertung der beiden abgeschlossenen Studien legen. Im Anschluss an die Auswertung und basierend auf den daraus neu gewonnenen Erkenntnissen können dann neue aktuelle Forschungsfragen generiert und weitere Studien mit Hafer geplant werden.
Frau Klümpen, herzlichen Dank für das Interview!
(17.04.2023)
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