Linda Jakobs arbeitet am Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissen-schaften der Universität Bonn und führt zurzeit eine Interventionsstudie zur Wirkung eines intensiven kurzzeitigen sowie moderaten mittelfristigen Verzehrs von Hafer durch. In unserem Gespräch gibt sie spannende Einblicke in die Forschungsarbeit.
Linda Jakobs hat nach ihrem Bachelorstudium im Fach „Bio Science and Health“ an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve ihr Masterstudium in Ernährungswissenschaften an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach absolviert. Seit 2020 arbeitet sie als Doktorandin an der Universität Bonn am Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften, Abteilung Ernährung und Mikrobiota, unter der Leitung von Jun. Prof. Dr. Marie-Christine Simon.
Im Rahmen ihrer Dissertation führt Linda Jakobs eine wissenschaftliche Interventionsstudie zur Wirkung eines intensiven kurzzeitigen sowie eines moderaten mittelfristigen Verzehrs von Hafer auf den Stoffwechsel (u. a. Blutzuckerspiegel, Blutfettwerte), auf das Darm-Mikrobiom und die kognitiven Fähigkeiten von Personen mit metabolischem Syndrom durch.
Die Studie läuft im Rahmen des Projekts „Diet-Body-Brain“, einem Kompetenzverbund der Ernährungsforschung mit Sitz in Bonn, an dem sich verschiedene Partner beteiligen. Die Wissenschaftler*innen erforschen den Zusammenhang von Ernährung, Lebensstil und neurodegenerativen Krankheiten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Vorhaben mit mehr als fünf Millionen Euro. Im Rahmen dieses Kompetenzverbunds ist Frau Jakobs Teil der Nachwuchsgruppe „Ernährung und Mikrobiota“, die sich das Ziel gesetzt hat, systematisch den Einfluss kommensaler Mikroorganismen und ihrer Metabolite zu analysieren, um ursächliche Zusammenhänge zwischen der Ernährung, der Mikrobiota, dem Stoffwechsel und der Gehirnfunktion herzustellen.
Frau Jakobs, was hat Sie an den Ernährungswissenschaften gereizt, so dass Sie diese für ein Studium und Ihren Start ins Berufsleben ausgesucht haben?
Während meiner Schulzeit habe ich erkannt, dass mir die Themen Gesundheit und Biologie sehr viel Spaß machen und ich zudem große Freude an komplexen naturwissenschaftlichen Fragestellungen habe. Für mich stand daher relativ früh fest, dass ich nach meinem Abitur ein naturwissenschaftliches Studium mit Fokus auf die Gesundheit beginnen möchte. Hier spielte vor allem der Wunsch, durch mein erworbenes Wissen den Menschen zu einer verbesserten Gesundheit zu verhelfen sowie einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, eine große Rolle. Im Rahmen meines Bachelorstudiums haben mich dann vor allem für die Fächer „Ernährungsphysiologie“ sowie „Ernährung und Gesundheit“ begeistert, sodass ich diese im Rahmen meines Masterstudiums vertieft habe. Es gibt ein Zitat von Hippokrates, welches – finde ich – sehr passend zeigt, wie eng Ernährung und Gesundheit miteinander verknüpft sind: „Eure Nahrungsmittel sollen Eure Heilmittel sein.“. Und da jeder Mensch essen muss, egal ob jung oder alt, gesund oder krank, stellen die Ernährungswissenschaften meines Erachtens ein essenzielles Forschungsgebiet dar, das mit Blick auf die steigende Prävalenz metabolischer Erkrankungen wie Diabetes noch an Relevanz gewinnt.
Wäre für Sie auch ein Medizinstudium infrage gekommen?
Wie bereits deutlich geworden ist, spielte der Wunsch, Menschen zu helfen, eine wichtige Rolle bei meiner Berufswahl. Ich habe daher nach meinem Abitur tatsächlich überlegt, ein Medizinstudium aufzunehmen, mich dann aber doch für ein Studium mit dem Forschungsschwerpunkt Ernährung entschieden.
Wie hat es sich ergeben, dass Sie die Studie zur Wirkung von Hafer durchführen? Haben Sie sich für das Getreide besonders interessiert? Oder sah die Universität auf diesem Gebiet besonderes Interesse? Wie kam es dazu?
Hier spielten beide Aspekte eine Rolle. Zum einen habe ich mich bereits während meines Masterstudiums mit dem sehr interessanten Ballaststoff Beta-Glucan beschäftigt, der vor allem in Hafer und bestimmten Speisepilzen enthalten ist. Da hier mein Interesse geweckt war, wollte ich mich im Rahmen meiner Promotion gerne näher mit dieser Thematik befassen. Zum anderen stand zu diesem Zeitpunkt in meiner aktuellen Arbeitsgruppe der Abteilung „Ernährung und Mikrobiota“ eine Studie zu den Effekten von Vollkornprodukten auf den menschlichen Stoffwechsel im Raum. Da Hafer von Natur aus ein Vollkornprodukt ist, ließen sich diese beiden Aspekte perfekt verbinden. Hafer ist zudem ein sehr interessantes Getreide - aufgrund seiner einzigartigen Zusammensetzung und seiner diversen positiven Effekte auf den Stoffwechsel, wie beispielsweise die Senkung des Cholesterinspiegels. Die genauen Wirkmechanismen sind allerdings noch nicht vollständig geklärt. Insbesondere die Rolle des Darm-Mikrobioms und der mikrobiell produzierten Metabolite stellen hier einen interessanten Ansatzpunkt dar, dem wir im Rahmen unserer humanen Ernährungsinterventionsstudie näher auf den Grund gehen möchten.
Können Sie uns bitte ein wenig erzählen, wie eine solche Studie entwickelt, geplant und umgesetzt wird. Welche sind die wichtigsten Arbeitsschritte und Meilensteine?
Die Planung und Durchführung einer humanen Ernährungsinterventionsstudie ist sehr umfangreich und bedarf einer sehr guten Vorbereitung sowie ethischer Prüfung.
Am Anfang jeder Studie steht die genaue Definition der Forschungsfrage. Hierfür wird eine ausführliche wissenschaftliche Literaturrecherche durchgeführt, um eine Forschungslücke aufzudecken bzw. zu bestätigen.
Im Anschluss erfolgt die konkrete Planung der Studie: Wie muss das Design der Studie gestaltet werden, um die Forschungsfrage(n) beantworten zu können? Welche Aspekte sind zusätzlich relevant und sollten bei der Planung berücksichtigt werden? Welche Kooperationspartner müssen an Bord geholt werden? etc. Darüber hinaus spielt die Finanzierung natürlich eine entscheidende Rolle, beispielsweise müssen Anträge für Forschungsförderung gestellt werden.
Sind diese Grundlagen geschaffen, muss die Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission eingeholt werden. Hierfür wird ein Ethikantrag verfasst, der alle für die Durchführung der Studie geplanten Unterlagen enthält (z. B. Ablaufschemata, Fragebögen, Rezeptpläne).
Liegt das positive Votum der Ethik-Kommission vor, kann mit der eigentlichen Studie begonnen werden. Diese umfasst die Rekrutierung der Studienteilnehmenden inkl. Durchführung notwendiger Voruntersuchungen sowie die Durchführung der eigentlichen Untersuchungstage, an denen diverse Daten erhoben und zur späteren Auswertung archiviert werden.
Nach erfolgreichem Abschluss der Studie folgen die analytische Auswertung der Proben, die statistische Auswertung der Daten sowie die Verfassung des Manuskripts und die Veröffentlichung der Daten.
Wann veröffentlichen Sie die Ergebnisse Ihrer Studie? Und wann werden Sie Ihre Dissertation abgeben?
Das ist zum aktuellen Zeitpunkt schwierig zu sagen. Trotz detaillierter Planung ist es leider nicht möglich, ein genaues Datum zu nennen, insbesondere durch die anhaltende Covid-19-Pandemie, die die Durchführung der Untersuchungstage im Studienzentrum deutlich verzögert. Grundsätzlich ist geplant, die Studie im Sommer 2022 abzuschließen. Einen Teil der Studie haben wir bereits im Juni 2021 erfolgreich beendet. In diesem Studienarm haben wir die Effekte einer zweitägigen Haferkur auf den Stoffwechsel und das Darmmikrobiom bei Personen mit Metabolischem Syndrom untersucht. Nach Abschluss des aktuell laufenden Studienarms zu den Effekten von regelmäßigem Haferverzehr erfolgt zunächst die analytische Auswertung der Daten, die mehrere Monate in Anspruch nehmen kann. Ein erster Entwurf des Manuskripts ist für Herbst 2022 geplant. Die Abgabe der Dissertation wird voraussichtlich 2023 erfolgen.
Woran erkennt jemand, der Sie kennt, dass Ihr Schreibtisch Ihr Schreibtisch ist? Was ist für Ihren persönlichen Arbeitsplatz typisch?
Bei einem Blick auf meinen Schreibtisch fällt vermutlich schnell die Tasse Tee ins Auge. Meist ist auch ein Stück Schokolade, am liebsten zartbitter, in greifbarer Nähe. Hinzu kommen eine handschriftlich geführte To-Do-Liste und ein Taschenkalender – auch wenn oder gerade weil die Arbeit überwiegend digital am PC erfolgt, habe ich gerne zusätzlich ein Blatt Papier und einen Stift parat, um spontane Gedanken aufschreiben zu können. Insgesamt versuche ich, meinen Schreibtisch sehr ordentlich und strukturiert zu gestalten, da mir dies beim Arbeiten hilft.
Was ist Ihr Highlight beim Hafer? Ein Produkt – ein Nährstoff – eine Wirkung?
Mein Highlight beim Hafer ist tatsächlich kein einzelner Aspekt, sondern die Vielfältigkeit des Hafers. Zum einen ist Hafer ein Vollkornprodukt und charakterisiert durch eine einzigartige Zusammensetzung aufgrund seines hohen Ballaststoffanteils, der Vielzahl an Polyphenolen, die z. T. spezifisch für den Hafer sind (z. B. die Avenanthramide), und dem hohen Anteil an Vitaminen und Mineralstoffen, wie z. B. Vitamin B1 und Magnesium. Zum anderen weist Hafer eine große Spannbreite gesundheitsfördernder Eigenschaften auf. So gilt er als natürlicher Cholesterinsenker und schützt damit das Herz-Kreislaufsystem. Darüber hinaus scheint Hafer eine günstige Wirkung auf den Blutdruck aufzuweisen und regulierend auf Blutzucker- und Insulinspiegel zu wirken. Weitere positive Eigenschaften, wie eine günstige Beeinflussung des Darm-Mikrobioms, eine Verbesserung der Darmbarriere und somit des Immunsystems, stellen ein sehr spannendes Forschungsfeld dar. Und genau an dieser Stelle knüpfen wir mit unserer Ernährungsstudie an.
Welche Haferprodukte essen Sie persönlich und in welcher Form? Haben Sie ein Lieblingsrezept / - gericht mit Hafer?
Ein Haferprodukt, das bei mir stets vorrätig ist, sind Haferflocken und hier am liebsten die kernigen. Bereits als kleines Kind habe ich zusammen mit meiner Mutter und meiner großen Schwester zur Weihnachtszeit Haferplätzchen gebacken und diese Tradition führen wir noch heute fort. Ein echtes Lieblingsrezept mit Haferflocken kann ich daher gar nicht genau benennen. Im Winter sind es die Haferplätzchen oder ein warmes Porridge mit Apfel, Walnüssen und Honig. Im Sommer sind es eher erfrischende Rezepte mit Joghurt oder ein Smoothie mit Buttermilch, Himbeeren und Haferflocken. Auch herzhafte Rezepte wie beispielsweise vegane Haferfrikadellen esse ich sehr gerne. Diese Vielseitigkeit gefällt mir am Hafer!
Wie beurteilen Sie die Entwicklung in der Gesellschaft? Werden nicht-übertragbare Krankheiten, wie Übergewicht, Diabetes Typ 2, Unverträglichkeiten, weiter zunehmen? Wie kann diesen Entwicklungen wirkungsvoll und mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung entgegengewirkt werden?
Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass im Jahr 2050 fast die Hälfte der Weltbevölkerung übergewichtig sein könnte. Die steigende Prävalenz nicht-übertragbarer Erkrankungen scheint somit weiter zuzunehmen und unabdingbar zu sein, wenn in naher Zukunft keine geeigneten Präventionsmaßnahmen erfolgen. Hierbei denke ich neben klassischen Lebensstilveränderungen (Verhaltensprävention) vor allem auch an die Verantwortung der Politik und die dortige Verankerung geeigneter Maßnahmen (Verhältnisprävention). Ein gutes Beispiel hierfür ist die Covid-19-Pandemie, da sich die Politik hier aktiv einbringt, um die Gesundheit der Weltbevölkerung bestmöglich zu schützen. Ein vergleichbarer Einsatz wäre auch für nicht-übertragbare Erkrankungen wünschenswert. Allerdings ist hiermit natürlich nicht zwingend die Akzeptanz der Bevölkerung gesichert. Wie Akzeptanz und Bewusstsein für die Dringlichkeit in der Bevölkerung gesteigert werden können, stellt ebenfalls ein eigenes spannendes Forschungsfeld dar. Daher überlasse ich diese Frage gerne den entsprechenden Experten auf diesem Gebiet.
Glauben Sie, dass in ein paar Jahren Ernährungsberatung obligatorisch für jeden wird? Dass zum Beispiel jeder Mensch – ähnlich wie das empfohlene Blutbild – regelmäßig einen Check-up hinsichtlich seiner Ernährungsweise machen wird? Halten Sie dies für sinnvoll?
Um die Ernährungsberatung für jeden obligatorisch zu machen, sind aktuell gar nicht die notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Dafür wäre zum einen eine engere Zusammenarbeit von Ernährungsfachkräften und Ärzten relevant. Zum anderen müsste die Ernährungsberatung insgesamt einen höheren Stellenwert zugeschrieben bekommen. Auch in der Ausbildung von Ärzten, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden. Ich denke daher, dass Ernährung als Schulfach einen sehr sinnvollen Ansatz darstellt, um bereits Kinder und Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren und hier frühzeitig die Weichen für eine gesunde Ernährungsweise zu stellen.
Herzlichen Dank, liebe Frau Jakobs, für die spannenden Einblick in Ihre Arbeit!
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