Hafertage
Die Therapie wird zunehmend in ihrer Stoffwechselwirkung wissenschaftlich untersucht. Um jedoch zum Beispiel für unterschiedliche Patientenbedürfnisse und Voraussetzungen adäquate Mahlzeiten- und Tagesempfehlungen erarbeiten zu können, sind vertiefende, strukturierte Untersuchungen erforderlich.
Ziel der Hafertage ist das Durchbrechen der Insulinresistenz. In der Praxis zeigt sich, dass durch die Hafertage die Insulinsensitivität wiederhergestellt und in der Folge auch der Insulinbedarf signifikant gesenkt werden kann. Die Kurzzeit-Intervention läuft unter kontinuierlicher ärztlicher Begleitung, im Vorfeld müssen die Patienten ausführlich beraten und für evtl. auftretende kritische Situationen, z. B. Hypoglykämien, geschult werden.
Historie
Die Hafertage haben eine gewisse Historie, denn es ist belegt, dass der deutsche Internist Carl von Noorden einer der ersten Ärzte war, der sich mit Stoffwechselerkrankungen beschäftigte und vor allem die Diabetes-Krankheit erforschte. Er baute um 1895 in Frankfurt am Main eine Privatklinik für Zuckerkranke auf, die als erste Fachklinik für Diabetes mellitus in Europa gilt. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte er eine "Haferdiätkur", mit der der Blutzuckerspiegel bei Diabetikern gesenkt werden konnte.
Neue Erkenntnisse
Nachdem Hafer seit Mitte des 20. Jahrhunderts seltener zum Einsatz gekommen war, werden seit einigen Jahren von einer erneut wachsenden Zahl an Medizinern und Beratern Hafertage, -diäten und -kuren durchgeführt. Diese Renaissance trägt der Erkenntnis Rechnung, dass ausgewogene, bedarfsgerechte Ernährung ein wichtiger Bestandteil der Vorbeugung ist. Hafer ist für Gesunde, aber auch für Menschen mit Herz-Kreislauf-Störungen, mit Bluthochdruck, Glukoseintoleranz und Übergewicht, ein Lebensmittel, das vor der Entwicklung eines Diabetes schützen und sich positiv bei Erkrankungen auswirken kann.
Mahlzeitenplan
Als Standard haben sich 2-3 aufeinanderfolgende Hafertage etabliert. An jedem Hafertag nehmen die Patienten drei Hauptmahlzeiten (süße oder herzhafte Porridges aus Haferflocken, Wasser oder Gemüsebrühe und wenigen weiteren Zutaten) ohne Zwischenmahlzeiten zu sich. Der Speiseplan ist mit rund 1000 kcal sehr energiereduziert, dabei jedoch ballaststoffbetont, ohne Fette und ohne Proteine (außer den hafereigenen). Allein über die Haferflocken (225 g) werden pro Tag 23 Gramm Ballaststoffe und davon 10 Gramm Beta-Glucan aufgenommen. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr in Form von Wasser und ungesüßtem Tee ist daher wichtig.
Zur Sicherung eines langanhaltenden Effekts und zur Verstetigung der Routine werden unterschiedliche patientenorientierte Modelle umgesetzt, wie je 1 Hafertag pro Woche oder regelmäßige Wiederholungen der Kur.
Rezept-Ideen für die Hafertage
In Absprache mit der zuständigen Diabetolog*in oder Ernährungsberater*in können folgende Hafer-Speisen auf den Mahlzeitenplan gesetzt werden:
Frühstück
Mittagessen
Wissenschaftlich belegt
298 Probanden - erwachsene übergewichtige Typ 2-Diabetiker, BMI > = 24 - verzehrten in vier Probandengruppen über 30 Tage unterschiedliche Mengen an Ballaststoffen und an Hafer. Bei den Gruppen 3 und 4 wurden 50 g bzw. 100 g der Getreideprodukte durch Hafer ersetzt. Bei diesen Probanden sank die postprandiale Plasmaglukose stärker als bei den Gruppen 1 und 2, um 1,04 mmol/ bzw. 1,48 mmol/l. Bei der Gruppe mit 100 g Hafer reduzierte sich die Insulinresistenz um 1,77 mU x mmol/l (HOMA-IR, homeostasis model assessment of insulin resistance). [1]
15 Probanden – insulinpflichtige Typ 2-Diabetiker, HbA1c > 8 % – hielten eine 5-Tage-Diät ein, davon 10 Probanden an Tag 1 und 2 eine klassische Diät mit 1200 kcal/Tag und an Tag 3 und 4 Hafertage mit 1100–1200 kcal/Tag. 5 Probanden (Kontrollgruppe) mit klassischer Diät über 5 Tage. Durch die Hafertage konnten Blutzuckerwerte und Insulindosis signifikant reduziert werden, Insulin von 112 ± 36.2 IU auf 82 ± 30.3 nach dem 1. Hafertag und 69.9 ± 29.9 IU nach dem 2. Hafertag (P<0.001). Auch nach 8 Wochen war der HbA1c der Probanden mit Hafertagen noch reduziert (-0.79 ± 1.23), und dies stärker als bei der Kontrollgruppe. [2]
Hafer im Alltag nach den Hafertagen
Sein besonderes Nährwertprofil macht Hafer zu einem wichtigen Baustein in Prävention und Ernährungstherapie. Mit der 2+1-Regel in der täglichen Ernährung können Stoffwechsel, Gefäßgesundheit und Mikrobiota wirkungsvoll unterstützt werden:
2 g Beta-Glucan zum Frühstück (Müsli, Overnight Oats oder Porridge aus 45 g Haferflocken oder aus 20 g Haferflocken + 20 g Haferkleie)
+ 1 g Beta-Glucan zwischendurch (10 g Haferflocken + 10 g Haferkleie in Joghurt eingerührt oder 1 Haferkeks gebacken mit gut 20 g Haferflocken)
Therapeutisch kann der Stoffwechsel mit haferbetonten Kurzzeit-Interventionen entlastet und neu eingestellt werden.
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Xue Li et al.: Short- and Long-Term Effects of Wholegrain Oat Intake on Weight Management and Glucolipid Metabolism in Overweight Type-2 Diabetics: A Randomized Control Trial. - Nutrients (2016), 8, 549; doi:10.3390/nu8090549.
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Delgado G, Kleber ME, Krämer BK, et al.: Dietary Intervention with Oatmeal in Patients with uncontrolled Type 2 Diabetes Mellitus - A Crossover Study. Exp Clin Endocrinol Diabetes. 2019; 127(9): 623-629. doi:10.1055/a-0677-6068.